Stand: 14.01.2021 00:01 Uhr
32 Stationen in elf Ländern stehen in der Vita von Eckhard Krautzun. Den VfL Wolfsburg rettete der Fußballlehrer einst vor dem Abstieg – und wurde später auf Rang drei gefeuert. Am 13. Januar feierte der Weltenbummer seinen 80. Geburtstag.
Weihnachten 1994 greift Wolfsburg nach den Sternen. Der VfL führt die Zweitliga-Tabelle nach der Hinrunde an, hat ein tolles Team beisammen und träumt vom erstmaligen Aufstieg in die Beletage. Krautzun, der den Werksclub in der Saison 1992/1993 vor dem Abstieg gerettet hat, ist ziemlich zuversichtlich, dass der Sprung gelingen wird. “Für ein weiteres Zweitliga-Jahr stehe ich nicht zur Verfügung”, verkündet der Coach und unterzeichnet daraufhin einen Vertrag für die Folgesaison, der ausschließlich für die Bundesliga Gültigkeit hat.
Auf Rang drei beim VfL Wolfsburg entlassen
Rund vier Monate später ist die Ära Krautzun bei den “Wölfen” beendet. Nach einem durchwachsenen Rückrunden-Start, einer 0:6-Pleite bei Hansa Rostock und dem Abrutschen auf Rang drei wird der Trainer entlassen. Der Rückstand auf Spitzenreiter Waldhof Mannheim beträgt zu diesem Zeitpunkt gerade einmal drei Zähler. “Nach zuletzt negativem Punkteverhältnis sehen wir den Aufstieg in Gefahr”, begründet VfL-Pressesprecher Ortwin Witzel die Entlassung des Übungsleiters, unter dessen Nachfolger Gerd Roggensack der Autoclub schließlich nur Vierter wird.
Rücktritt bei St. Pauli nach wenigen Monaten
Dass Krautzun das Anspruchsdenken beim VfL durch seine Klausel selbst in die Höhe getrieben hatte und sich dadurch quasi selbst entließ, ist eine von vielen kuriosen Geschichten in der langen Laufbahn des gebürtigen Esseners. Später beim Nordrivalen FC St. Pauli nahm er nach lediglich fünf Monaten selbst den Hut, um seiner Entlassung zuvorzukommen (1997). Der Mannschaftsrat des Kiezclubs hatte sich bei Clubpatron Heinz “Papa” Weisener über den Coach beklagt. Bei einem Tässchen Kaffee und einer Pressekonferenz im Vereinsheim verkündete Krautzun seinen freiwilligen Abschied, der ja eigentlich unfreiwillig war.
Schöne, aber auch bedrohliche Situationen im Ausland
Im Vergleich zu vielen seiner Auslandsstationen waren die Arbeitsbedingungen beim VfL und St. Pauli allerdings geradezu paradiesisch. “Grenzwertige Erlebnisse gab es natürlich: einen Taifun auf den Philippinen, ein Erdbeben in Japan. In Korea habe ich zweimal einen Evakuierungsplan der deutschen Botschaft erhalten, weil dort der Ausbruch eines Krieges drohte. Wir hatten konkrete Anweisungen zur Flucht. Dem gegenüber stehen aber 100 positive Ereignisse und unschätzbare Erfahrungen”, sagte Krautzun in einem Interview mit dem Magazin “11 Freunde”.
“Man braucht interkulturelle Kompetenz”
Bereits 1970 wurde der frühere Wolfsburg-Coach vom kenianischen Verband als Nationaltrainer engagiert. Es folgten Stationen unter anderem in Kanada, Japan, Malaysia, Tunesien und auf den Philippinen. Dass fernab der Heimat andere Sitten herrschen, geht aus den zahlreichen Anekdoten hervor, die Krautzun zu erzählen hat. Überrascht wurde der Trainer, der im hessischen Heppenheim lebt, von den Bräuchen in anderen Ländern aber nie. “Viele Kollegen gehen unvorbereitet in so ein Abenteuer. Ich bin nie in ein Land gegangen, ohne mich vorher genau zu erkundigen. Man braucht einfach interkulturelle Kompetenz. Wenn man sich nicht vorbereitet, ist man verloren”, erklärt der Weltenbummler.
Zu seinen größten Erfolgen gehören die erfolgreiche WM-Qualifikation mit Tunesien (2002), der DFB-Pokalsieg mit dem 1. FC Kaiserslautern (1996) und der Bundesliga-Aufstieg mit 1860 München (1979).
Ein Zufall rettete Krautzun das Leben
Der Fußball prägte Krautzuns Leben. Und er rettete ihm im Grunde genommen auch selbiges. Denn eigentlich wollte der Coach am 21. Dezember 1988 in die Boeing 741 der Fluggesellschaft Pan Am steigen. Krautzun war auf die Maschine mit der Flugnummer 103 gebucht, die auf dem Weg von London nach New York über dem schottischen Lockerbie von libyschen Terroristen gesprengt wurde. Alle 259 Insassen und elf Menschen am Boden kamen ums Leben. Krautzun hatte seinen Flug kurzfristig umgebucht, nachdem ihn Toni Többe – damals Präsident von Rot-Weiss Essen – zu Verhandlungen über eine Anstellung beim Traditionsclub eingeladen hatte.
Am Ende kam es zwar nicht zu einem Engagement, Krautzuns Glaube wurde durch das Erlebnis aber bestärkt. “Ich weiß, dass ich eine sehr gute Beziehung zu Gott habe”, sagt Krautzun: “Ich glaube, man wird beschützt.”
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